Braunschweig (epd). Landesbischof Friedrich Weber hat die Kirchen aufgerufen, sich noch genauer mit ihrer Vergangenheit in der NS-Zeit zu beschäftigen. "In Deutschland wurden in dieser Zeit allein mehr als 1.000 evangelische Kirchenbauten errichtet oder umgebaut", sagte er in einem Vortrag anlässlich der Ausstellung "Christenkreuz und Hakenkreuz" in Braunschweig. In der katholischen Kirche sei die Zahl noch höher. In der braunschweigischen Landeskirche seien sechs Kirchengebäude neu entstanden, zudem sei der Braunschweiger Dom im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie umgestaltet worden. Die Ausstellung läuft bis zum 30. Juni in der Braunschweiger Brüdernkirche.
"Kirchen wurden bewusst instrumentalisiert, um die Gefühlslage eines ganzen Volkes über ein bestimmtes Gebäudeinventar in eine bestimmte Richtung zu lenken", sagte Weber. Entsprechend habe es zwischen 1933 und 1945 eine hohe Zahl von Kircheneintritten, Taufen, Trauungen und Gottesdienstbesuchen gegeben. Allerdings habe diese Bewegung nicht so sehr danach gefragt, wie das Anliegen von Jesus und die Themen der Nächsten- und Feindesliebe zur Geltung gebracht werden könnten. Vielmehr sei sie durch Symbole, Zeichen und Gedanken des Nationalsozialismus durchsetzt gewesen. Als Beispiel dafür nannte der Bischof die "Reichserntedankfeste" bei Hameln.
Der kirchliche Rückblick auf diese Zeit habe nicht selten zu einem "Schwarz-weiß-Gemälde" geführt, sagte Weber: Auf der einen Seite stünden in dieser Sichtweise die Nazi-treuen "Deutschen Christen", auf der anderen die oppositionelle "Bekennende Kirche". "Dass es zwischen der Bekennenden Kirche und der Glaubensbewegung Deutsche Christen Graustufen gab, ist mittlerweile anerkannt, aber ein noch immer wenig erforschtes Gebiet der Kirchengeschichte."
Kritische Worte richtete der Bischof auch an die eigene Landeskirche. Aus Unvermögen, Unlust oder ängstlicher Zurückhaltung sei die Rolle der braunschweigischen Kirche in der NS-Zeit bislang noch nicht ausreichend erforscht worden. Über Jahrzehnte habe man dies zum Teil bewusst verdrängt. "Man wollte keine Beschäftigung mit diesem Thema, solange es lebende Beteiligte gebe", sagte Weber: "Eine systematische Aufarbeitung der Geschichte unserer Kirche in den Jahren des Nationalsozialismus ist nach wie vor dringend geboten."
Die in Berlin konzipierte bundesweite Wanderausstellung "Christenkreuz und Hakenkreuz" über den Neubau von Kirchen im Nationalsozialismus ist täglich außer montags von 15 bis 19 Uhr geöffnet. Die braunschweigische Landeskirche hat sie erstmals um einen Regionalteil erweitert.
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08.06.2009
Kategorie: Pressestelle