liebe Leserinnen und Leser!
Gehören Sie zu den Menschen, deren Jahreskreis seinen ganz besonderen Glanzpunkt zu Weihnachten erfährt? Werden Sie diese Zeilen in einer der schönen, weihnachtlich geschmückten Kirchen unserer Landeskirche lesen oder hören? Viele Menschen werden da sein, genau so wie zu den Gottesdiensten der zurückliegenden Adventssonntage. Und es sind die unterschiedlichsten Menschen, die zum Fest der Geburt Christi zusammen kommen. Der Schein der Weihnachtskerzen verbindet uns in aller Verschiedenheit. Ich vermute, dies hat seine Wurzel in der ersten Weihnacht. Weil schon vor über 2000 Jahren Menschen an der Krippe knieten, die nicht unterschiedlicher hätten sein können - Arme und Reiche, Junge und Alte, Gelehrte und Einfache, Hiesige und Fremde - vielleicht gerade darum hat das Weihnachtsfest eine so besondere integrative Kraft, denn schließlich kommen wir nirgendwo sonst dazu so nebeneinander zu sitzen und zu stehen, gemeinsam zu singen.
Eines der schönsten Weihnachtslieder stammt von dem Gräfenhainicher Dichter Paul Gerhardt:
„Ich steh an Deiner Krippen hier, / o Jesu, du mein Leben."
Gerhard hat das Lied geschrieben, nachdem er nach langen mühseligen Wegen - immerhin prägte das Elend des Dreißigjährigen Krieges seine Kindheit und Jugend - endlich auf einer kleinen Pfarrstelle im Brandenburgischen angekommen war, eine Familie gründen konnte. In der vierten Strophe heißt es: „Ich sehe dich mit Freuden an / und kann mich nicht satt sehen; /
und weil ich nun nichts weiter kann / bleib ich anbetend stehen /
O dass mein Sinn ein Abgrund wär und meine Seel ein weites Meer /
dass ich dich möchte fassen!"
Überall im Lande werden Menschen zu Weihnachten an der Krippe stehen bleiben, vielleicht diese Zeilen singen und sich von dem kleinen verletzlichen Kind anrühren lassen. Überall werden Menschen für einen Augenblick angekommen sein und spüren, dass Herzen und Seelen weit werden - egal wer Sie sind, wo Sie herkommen. So lade ich Sie herzlich ein, sich in diese Gemeinschaft mit hinein nehmen zu lassen, denn ich glaube: Gerade weil wir zur Krippe aus so verschiedenen Lebenssituationen zusammenkommen, weil die Einen die Geborgenheit erfahren, die Andere verloren haben, weil die Einen sorglos aufgehoben und die Anderen fast zu schwer beladen sind, darum ahnen wir, was es bedeutet gemeinsam zu singen:
„Eins aber, hoff ich, wirst du mir, / mein Heiland, nicht versagen: /
dass ich dich möge für und für / in, bei und an mir tragen. / So lass mich doch dein Kripplein sein; / komm, komm und lege bei mir ein / dich und all deine Freuden."
Dass Sie dies erfahren mögen, dass es Ihnen Weihnachten werden möge und Sie ein gesegnetes neues Jahr beginnen können wünsche ich ihnen sehr.
Ihr
Friedrich Weber
Landesbischof