Braunschweig/Wolfenbüttel. Die Ökumene ist zu seinem Markenzeichen geworden. Wann immer der Papst eine umstrittene Entscheidung trifft, wird er gefragt, was die Kirchen der Reformation dazu sagen. Denn Friedrich Weber ist nicht nur Bischof der Evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig, sondern seit mehr als drei Jahren auch Beauftragter der lutherischen Kirchen in Deutschland für das Verhältnis zur römisch-katholischen Kirche. Kein ganz leichtes Amt in einer Zeit, die von einem öffentlichen Überschwang des Katholizismus geprägt ist. Gerade im Land der Reformation nicht, wo die evangelischen Kirchen in neuer Weise nach ihrem Profil suchen.
Da ist Diplomatie ebenso gefragt wie theologische Geradlinigkeit, kirchenpolitisches Geschick ebenso wie konfessionelles Rückgrat. So, wie der Pontifex Brücken bauen soll, um die Einheit der Kirche zu fördern, soll der Catholica-Beauftragte die Brücke zwischen Lutheranern und Katholiken begehbar halten und - wenn möglich - sogar verbreitern. Benedikt XVI. hat Friedrich Weber diese Aufgabe in den vergangenen Jahren nicht gerade leicht gemacht. Gleichwohl sieht dieser keine „ökumenische Eiszeit" und spricht lieber von einer „Ökumene des Lebens" als von einer „Ökumene der Profile", weil er das gute Miteinander der geschiedenen Konfessionen vor Ort lieber in den Blick nimmt als die kirchenamtlichen Differenzen.
Wenn der Braunschweiger Landesbischof am 27. Februar seinen 60. Geburtstag feiert, werden ihn aber nicht nur ökumenische Grüße aus der römisch-katholischen Kirche erreichen. Denn seit zwei Jahren ist er auch Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK). Ihr gehören 16 Mitgliedskirchen und vier Kirchen als Gastmitglieder an, darunter auch orthodoxe Kirchen und evangelische Freikirchen, wie die Heilsarmee oder die Evangelisch-methodistische Kirche. Der Protestantismus ist ja bereits in sich ein ökumenisches Phänomen, was vor allem die Jahrhunderte lange Trennung zwischen den evangelisch-reformierten und den evangelisch-lutherischen Christen zeigt. Erst durch die Leuenberger Kirchengemeinschaft von 1973 wurde die Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft zwischen den evangelischen Konfessionen besiegelt.
Auch diese innerevangelische Ökumene ist Friedrich Weber in besonderer Weise vertraut, war er doch zwölf Jahre (1972-1984) als Vikar und Pastor in Greetsiel (Ostfriesland) in einer reformierten Gemeinde tätig. Als er im November 2001 zum Bischof der Evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig gewählt wurde, wertete der damalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Manfred Kock (Düsseldorf), die Wahl als „Signal innerprotestantischer Gemeinschaft". Freilich war Weber in seinen elf Jahren als Propst (Regionalbischof) der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (1991-2002) auch dem lutherischen Bekenntnis gegenüber verpflichtet.
Wer in dieser Weise das Verbindende sucht, braucht ein gerüttelt Maß an theologischem Sachverstand und nicht zuletzt: ein urteilsfähiges kirchengeschichtliches Bewusstsein. Ein Doktor der Theologie, erworben im Fach Kirchengeschichte über die Verhältnisse während der Reformationszeit, kann dabei nur hilfreich sein. Mittlerweile ist Weber Honorarprofessor an der Technischen Universität Braunschweig und ein vielgesuchter Referent, wenn es um Vorträge geht, die - theologisch grundiert - Kirche und Christsein ins Verhältnis zu unserer modernen Welt setzen.
Darin ist er auch als Landesbischof stets bei seiner Sache. Wird die öffentliche Diskussion im Braunschweiger Land doch immer wieder von den wissenschaftlichen Bundeseinrichtungen und der TU geprägt: sei es durch die Themen Genforschung und Biomedizin, oder durch die Fragen einer ökologisch vertretbaren Energiegewinnung. Sowohl in den Auseinandersetzungen um die Atommüllendlagerung im Schacht Konrad als auch beim Konflikt um das Versuchsendlager Asse II hat die Landeskirche den Sorgen und Ängsten der Menschen eine Plattform gegeben und Politiker und Wissenschaftler an ihre ethische Verantwortung erinnert. Auch das von Weber ins Leben gerufene Evangelische Klosterforum widmet sich als „Stadtakademie" in Braunschweig diesen Themen zwischen Wissenschaft und Religion.
Überhaupt liegt Weber stets daran, die Position der Kirche ins öffentliche Gespräch zu bringen. Er weiß um die Rolle der Medien in unserer modernen Gesellschaft und dass die Wirklichkeit heute zu einem gewissen Maße erst von ihnen erzeugt wird. Deshalb zögert er nicht, wenn es darum geht, Flagge zu zeigen. So zum Beispiel in der Debatte um die Aushöhlung des Sonntagsschutzes durch die Gesetzgebung der niedersächsischen Landesregierung: Ausflugsorte dürfen keine Wallfahrtsorte des ungezügelten Konsums werden, so seine Überzeugung. Geradezu kämpferisch wird sein Ton, wenn es um den grundgesetzlich verbrieften Schutz des Sonntags als Tag der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung geht.
Aber auch die Hilfe für Flüchtlinge und Asylbewerber hat er zu seiner Sache gemacht. Nicht zuletzt als Ratsvorsitzender der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen hat er sich für eine Härtefallkommission eingesetzt, welche die Belange der von Abschiebung bedrohten Flüchtlinge noch einmal in besonderer Weise untersucht. Damit sie eventuell doch von einer erzwungenen Rückführung verschont bleiben. Und auch die Aufnahme irakischer Minderheiten, die in ihrem Land nur knapp dem Tod entgangen sind, findet seine ungeteilte Unterstützung. Mit einem Brief an Bundeskanzlerin Merkel hat er diesem Anliegen Nachdruck verliehen.
Ökumenisch verbindlich, theologisch versiert, öffentlich engagiert - mit diesen Qualitäten gibt Weber der Evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig ein erkennbares Gesicht. Dafür genießt er bei vielen Menschen großen Respekt und ein hohes Ansehen. Kein Wunder, dass sein Name von Journalisten genannt wird, wenn es um die Nachfolge von Bischof Wolfgang Huber als Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) geht. Doch Weber winkt ab. Er ist gern Bischof im Braunschweiger Land und liebt es, am Sonntag auf der Kanzel zu stehen. Er besucht die Pfarrhäuser und Kirchenvorstände und legt ein besonderes Augenmerk auf die Visitation der Propsteien. Nach sieben Jahren im Bischofsamt kennt er die Region und ihre Menschen. Er weiß, wie er auch in Niedersachsen dem Protestantismus neue Impulse geben kann. Sein Lebensweg zeigt: Das wird er auch in Zukunft tun.