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29.05.2008 Kategorie: Pressestelle

Versöhnung – eine unvollendete Aufgabe

Eine Konferenz in London erinnert an die Anfänge der ökumenischen Friedensarbeit

London/Frankfurt/Braunschweig. Die Versöhnung zwischen Deutschen und Engländern scheint auch sechzig Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs noch eine unvollendete Aufgabe zu sein. Das Bild des „hässlichen Deutschen", gespeist durch die Erfahrungen Großbritanniens mit dem Terror der Nationalsozialisten, lebt anscheinend nicht nur in der britischen Boulevardpresse fort, sondern auch im Bewusstsein vieler Bürgerinnen und Bürger, selbst der jungen Generation. Das jedenfalls wurde bei einer Konferenz deutlich, die von der ökumenischen Organisation „Churches Together in Britain and Ireland" (CTBI) und der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) in London veranstaltet wurde. Vom 27. bis 30. Mai trafen sich Vertreter von Kirchen und kirchlichen Gruppen, um an die Anfänge der modernen ökumenischen Bewegung in Europa zu erinnern.
Genau vor hundert Jahren, am 27. Mai 1908, reisten 131 Repräsentanten der deutschen Kirchen und der akademischen Theologie auf dem Dampfschiff „Kronprinzessin Cäcilie" von Bremen aus nach Southampton, um in London mit Vertretern des Staates und der Kirchen in Großbritannien ein Zeichen für den Frieden zu setzen. Ihr Ziel war es, den wachsenden diplomatischen Spannungen und der militärischen Rivalität zwischen Deutschland und Großbritannien entgegenzuwirken. Aus dieser Initiative entwickelte sich nicht nur der Gegenbesuch einer britischen Delegation ein Jahr später in Deutschland, sondern 1914 auch die „World Alliance for Promoting International Friendship through the Churches", eine Einrichtung, die zu den Wurzeln des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) gezählt werden kann.
Es war diese Allianz, die zusammen mit dem 1925 gegründeten „Christian Council for Life and Work" jene berühmte Konferenz von Fanø (Dänemark) veranstaltete, bei der Dietrich Bonhoeffer 1934 zu einem weltweiten Friedenskonzil aufrief. Nicht zuletzt darauf bezog sich der ÖRK, als er bei seiner 6. Weltversammlung 1983 in Vancouver (Kanada) den Impuls für einen konziliaren Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung gab. Keith Clements, von 1997 bis 2005 Generalsekretär der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK), zog vor diesem Hintergrund eine klare Entwicklungslinie von den englisch-deutschen Freundschaftsbesuchen von 1908 und 1909 bis zur Gründung des ORK 1948 und der ökumenischen Bewegung von heute.
Clements erinnerte außerdem an die beiden Personen, mit denen die damaligen Besuche untrennbar verbunden sind: den englischen Unternehmer und Quäker Joseph Allen Baker (London) und den deutschen Aristokraten Baron Eduard de Neufville (Frankfurt am Main). Sie hatten sich bei der zweiten Haager Friedenskonferenz (1907) kennen gelernt und waren schnell zu der Überzeugung gelangt, wiewohl keine ordinierten Theologen oder Kirchenführer, dass die Kirchen eine besondere friedensethische Verantwortung haben und deswegen gemeinsam einem drohenden Krieg wehren müssen.
Auch wenn Europa heute nicht mehr an der Schwelle zu einer militärischen Konfrontation steht, machte die Konferenz in London doch deutlich, wie notwendig der gemeinsame Austausch zwischen Engländern und Deutschen auch in Zukunft bleibt. Immer noch prägen Vorurteile und mangelnde Geschichtskenntnis das jeweilige Bild von den anderen. So attestierte der römisch-katholische Weihbischof von Birmingham William Kenney seinen Landsleuten insbesondere in Südengland eine konservativ-kolonialistische und imperialistische Haltung. Sie hätten emotionale und psychologische Vorbehalte gegenüber Europa und würden darum das große Ziel der europäischen Einigung verkennen: den Frieden zu sichern durch gegenseitiges Wissen, Transparenz und die gemeinsame Währung, den Euro. „Ist es der Frieden nicht wert, dass wir für ihn zahlen?", so seine Frage an die Engländer.
Der Braunschweiger Landesbischof und ACK-Vorsitzende Friedrich Weber plädierte vor diesem Hintergrund für weitere intensive Partnerschaften zwischen deutschen und englischen Kirchengemeinden. Der persönliche Austausch zwischen den Menschen sei wichtig für ein neues und friedliches Europa. Gleichzeitig lud er die britischen Partner zu einem Gegenbesuch 2009 in Deutschland ein. Es wäre eine einmalige Gelegenheit, wenn dieser Gegenbesuch beim Kirchentag in Bremen erfolgen könnte, so der ACK-Vorsitzende. In jener Stadt, von der die englisch-deutschen Freundschaftsbesuche und damit ein wichtiger Strang der modernen ökumenischen Bewegung ausgegangen seien. Vielleicht könnte diese Reise sogar etwas in Gang setzen, was wiederum Keith Clements bei der Londoner Konferenz vorschlug: Pilgerfahrten über den Ärmelkanal nach England und Deutschland.

Deutsch-englische Beziehungen: eine unvollendete Aufgabe.