Braunschweig. Die Landeskirche Braunschweig und ihr Diakonisches Werk haben Personen, die in evangelischen Kinderheimen misshandelt wurden, aufgerufen sich zu melden. Man sei bereit, die Verantwortung für eventuelle Verfehlungen zu übernehmen, sagten Diakoniedirektor Stempin und Landesbischof Weber am Donnerstag, 25. September, vor der Presse in Braunschweig. Betroffene können sich unter der Telefonnummer 0531/3703-010 an das Diakonische Werk wenden.
Aktualität hatte das Thema durch eine Studie erhalten, die von der Landeskirche Hannovers in Auftrag gegeben worden war. Erste Erkenntnisse hatten darauf hingedeutet, dass es in den Fünfziger- und Sechzigerjahren in evangelischen Erziehungsheimen zu Misshandlungen und sogar zu Missbrauch gekommen war. Solche Fälle, so Stempin und Weber, könnten derzeit für den Bereich der Landeskirche Braunschweig aber nicht bestätigt werden.
Das liege unter anderem daran, dass es in dem fraglichen Zeitraum lediglich zwei Erziehungsheime im Braunschweiger Land gegeben habe, die zur Diakonie gehörten: die Stiftung Knabenhof in Braunschweig und das Elisabethstift in Salzgitter. Wie Diakoniedirektor Stempin erläuterte, habe der Knabenhof bereits Anfang der Siebzigerjahre seinen Betrieb eingestellt. Das Elisabethstift sei eine familiär geführte Einrichtung gewesen, die nicht durch Disziplinierungsmaßnahmen geprägt gewesen sei. Beide Einrichtungen hätten insgesamt rund 180 Plätze vorgehalten.
Stempin sagte, das damalige Jugendhilfegesetz habe in heute kaum noch vorstellbarer Weise Eingriffe in die Familien ermöglicht. Jugendliche seien schon aufgrund kleinster Auffälligkeiten in Erziehungsheime eingewiesen worden: zum Beispiel wegen „Arbeitsunlust" oder „Herumstreunens". Das Klima in den Heimen sei den Erziehungsvorstellungen der Zeit entsprechend autoritär und von Gewalt geprägt gewesen. „Schlagbücher" hätten die Züchtigungen von Jugendlichen vermerkt. Stempin versicherte, dass sich die Diakonie bemühen werde, die damalige Praxis im Knabenhof und Elisabethstift genauer zu ermitteln.
Landesbischof Weber betonte, dass die Kirche Schuld eingestehen müsse, wenn in ihren Heimen Menschenrechtsverletzungen begangen wurden. Solche Vorgänge widersprächen dem christlichen Liebesgebot. Opfer müssten ebenso wie eventuelle Forderungen nach Entschädigungen Ernst genommen werden. Selbstkritisch räumte er außerdem ein, dass die Kirche das Personal in den Heimen nicht immer ausreichend begleitet habe.